hr-iNFO-Büchercheck: Die Geschichte der Einsamkeit von John Boyne

hr-iNFO-Büchercheck: Die Geschichte der Einsamkeit von John Boyne

11.02.2016

Der irische Schriftsteller John Boyne setzt sich in seinem neuesten Buch „Die Geschichte der Einsamkeit“ mit der Nachkriegsgeschichte seines Landes auseinander.
hr-iNFO Bücherchecker Frank Statzner hat den Roman gelesen.

Worum geht es?
Kann man durch Nichts tun persönlich schuldig werden? Durch naives Vertrauen in gelernte Wertemuster und auch Machtmuster? Diese Fragen sind das Thema in
John Boynes neuem Roman. Irland, die idyllische grüne Insel. Das war das Klischee bis zur Jahrhundertwende. Seitdem haben nicht nur Kapitalismus und Finanzkrise die Insel heimgesucht, auch ihre mächtigste Institution, die katholische Kirche, ist entzaubert.
In diesem Zeitlauf steckt Pater Odran Yates. Er erlebt, wie seine Mutter vom Priester abgekanzelt wird, als sie sich über die Sauferei ihres Mannes beschwert. Der Vater bringt sich um und nimmt Odrans Bruder mit in den Tod. Die Mutter flüchtet sich in ihren Glauben und schickt Odran in die Priesterausbildung. Der Junge fügt sich und schweigt, als ein Priester ihm die Hand in die Hose steckt. Er fragt auch nicht nach, als er mitkriegt, dass im Priesterseminar merkwürdige Dinge geschehen. Erst als sein Freund vor Gericht steht, als sein Neffe ihn schließlich mit der bitteren Wahrheit konfrontiert, von diesem Freund missbraucht worden zu sein, da erkennt Odran seine Verstrickung, seine Schuld durch Ignoranz und nimmt sie an.

„Du hast ihn ins Haus gebracht. Du hast mich mit ihm allein gelassen. Den seelischen Schaden, den dieser Mann in einer einzigen Nacht angerichtet hat, werde ich bis zu meinem Tod mit mir herumtragen. Deshalb kann ich deinen Anteil daran nicht einfach so vergessen.“ „ Ich nickte, wischte mir die Tränen vom Gesicht und sagte: Das verstehe ich. Du hast recht, ich habe ihn ins Haus gebracht und dich mit ihm allein gelassen. Du bist mein Neffe, ich hätte dafür sorgen müssen, dass dir nichts passiert. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Aidan, außer dass es mir leid tut. Es war der größte Fehler meines Lebens. Es tut mir so leid.“

Wie ist es geschrieben?
John Boyne beschreibt die Kirche als monströses Täter-, Schweige- und Vertuschungskartell. Das Buch ist aber erträglich, weil er die Details der Missbräuche ausspart und stattdessen Atmosphären beschreibt.

Wie gefällt es?
So zahm und zögerlich Pater Yates in diesem Roman daher kommt, so sanft und fast plaudernd John Boyne erzählt, so ist dieses Buch in seiner Wirkung eine Generalabrechnung mit der katholischen Kirche in Irland und auch mit dem polnischen Papst in Rom.

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Paperback, 416 S.
Sprache: Deutsch
Piper Verlag
ISBN: 9783492060141